Samstag, September 04, 2010

Mein schönstes Kriegserlebnis

Anfang der 1990er Jahre bin ich ein regelmäßiger Gast im Karlsruher Wildparkstadion gewesen. Der KSC spielte als Nachwuchskader für den FCB (Scholl, Kahn, Fink, Tarnat) ansehnlichen Bundesligafußball, Winnie Schäfer war zum brüllen komisch, wenn er mit purpur angelaufenem Gesicht am Spielfeldrand auf- und abdopste oder wegen unsittlicher Äußerungen auf die Tribüne verwiesen wurde, und auf Oliver Kahn hagelten bei jedem Spiel Bananen und Brunftrufe aus der gegnerischen Kurve.

Aber das Beste war die Ansage vor dem Spiel. Nach altem Stadionritual, das hoffentlich noch viele Jahrtausende in Sportarenen gepflegt wird, verkündete der Sprecher die Vornamen der Heimmannschaft, worauf das Publikum unisono die Nachnamen ergänzte. Mich überkommt heute noch ein frostiger Schauer, wenn ich daran denke, wie der Stadionsprecher in gezielt demagogischer (oder bildete ich mir das nur ein?) Stimmlage "Rainer" - man vergegenwärtige dieselbe Aussprache wie "reiner" - ins Mikrofon bellte, worauf es aus zehntausenden Kehlen dumpf tönte: "KRIEG".

Dieses Massenphänomen erzeugte Schauer und Belustigung zugleich, mit kathartischer Wirkung schien sich das Fußballvolk innerhalb einer Sekunde dunkelster Wallungen zu entledigen. Leider durfte der Stürmer Krieg beim KSC selten von Beginn an spielen, sondern wurde von Schäfer meistens eingewechselt. Später war Rainer Krieg Stammspieler beim Zweitligisten Fortuna Köln. Keine Ahnung, ob Köln mit derselben Inbrunst den Krieg ausrief wie Karlsruhe.

Solch einen eindrucksvollen Namen wie Rainer Krieg hat die Bundesliga jedenfalls nie wieder erlebt. Außer Hasan Salihamidžić oder Kaká, aber diese Lautmalereien hängen in anderen Gallerien.

4 Comments:

Blogger mkh said...

Massenpsychologie des Faschismus im Stadium? Für Schlachtrufe macht sich Rainer Krieg definitiv besser als Friedbert Lämmchen. Ich überlege gerade, welche Biografie jemadnem mit diesem Namen in die Wiege gelegt wurde. Wenn man sich etwa eines der Werke eines gewissen Generalmajors "Krieg von Hochfelden" vergegenwärtigt...

5.9.10  
Blogger mkh said...

[Das da oben sollte allerdings "Stadion" geheißen haben...]

5.9.10  
Blogger mq said...

Das F-Wort halte ich in diesem Zusammenhang nicht für zutreffend, aber Stadium passt. Und ob Namen eine Auswirkung auf den Beruf haben - Ballack und Lahm sind beide Fußballer geworden, sogar Kapitäne ...

5.9.10  
Blogger mkh said...

...So ähnlich übrigens wie die erstaunlich zahlreichen Geologen mit Namen Stein (oder so ähnlich). Der beste: Eckardt Stein. Da bleibt einem doch nichts anderes übrig!

7.9.10  

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