Dienstag, Juli 26, 2011

Entzug der Sehnsucht

Während R versuchte, sich seiner Sehnsucht zu entziehen, kam ihm jenes zersetzende Verlangen unbemerkt abhanden. R vermisste das Sehnen und Suchen jedoch erst, als nichts mehr davon übrig war. Und inmitten der plötzlichen Leere stellte R fest, dass es sich nicht um die erwartete Erleichterung, sondern um den größten vorstellbaren Verlust handelte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren unerfüllte Erwartungen der Kraftstoff für seinen Antrieb. Obwohl R an einem Sonntagmorgen frei von Fragen erwachte, konnte die Sehnsucht doch nicht über Nacht verschwunden sein. Wie ein Langstreckenläufer, der zuletzt ins Ziel kam, empfand R keine Freude über den Erfolg des Ankommens, sondern nur Erschöpfung und am Ende aller Mühen eine weite Leere. R hatte geglaubt, durch den Entzug der Droge Sehnsucht Leichtigkeit zu finden und sein Bewusstsein wie in einem Ballon durch den Abwurf von Ballast in unverhangene Aussichten zu befördern. Aber das Dasein war unerschütterlich auf dem Boden der Tatsachen verankert.

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2 Comments:

Blogger mkh said...

Und wie verändert sich dadurch R`s vierte Dimension? Ist er im Hier und Jetzt angekommen? Und gelingt es ihm dann eigentlich noch, zu spät zum Bus zu kommen?

30.7.11  
Blogger mq said...

Schlüssige Antwort, sonali. (Übrigens gleichzeitig der Titel einer herausragenden Erzählung von Thomas Bernhard.)
Und mkh, ich hoffe, damit wären die Fragen hinreichend geklärt.

31.7.11  

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