Samstag, Dezember 22, 2012

Sehr geehrter Herr Eastwood,

lange Zeit haben Weltraumbegeisterung, Westernfilme und Kindheitserinnerungen an die monströsen NATO Herbstmanöver mein Bild von den USA geprägt. Wir tauschten Bier gegen Einmannpackungen (Epas) mit schwarzen Soldaten, die sich in den Wäldern eingegraben hatten. Später gab es Demonstrationen gegen die Stationierung von Pershing II Raketen, und die Ostermärsche führten in verlässlicher Routine an den Peden Barracks vorbei. Demonstrativ lässig saßen Soldaten beim Barbecue hinter Stacheldraht, während auf der anderen Seite des Zaunes die Angst vor dem Atomkrieg herrschte.

Irgendwann machte ich mich zu Erkundungen Ihres Kontinents auf. Und ich habe Ihr Land aus der Nähe zu betrachten und zu schätzen, beinahe zu lieben gelernt. Ich mag die an ferne Horizonte reichenden Weiten, meilenweit schnurgerade Highways, die betörende Oberflächlichkeit und den Optimismus Ihrer Landsleute, Motels im Licht der untergehenden Sonne, Kellnerinnen, die dich mit "Baby" anreden in Diners mit zerschlissenen Sitzbänken. Und überdimensionale Erwartungen, endlose Hoffnungen.

An zwei Umstände konnte ich mich während meiner Aufenthalte in Ihrem Land nie gewöhnen. Fastfood, Lowfat Produkte und gewaltige Mengen von Zucker oder Zuckerersatzstoffen sind ständig präsent. Weitaus anstrengender als verkorkstes Essen ist jedoch der Gedanke, dass dir an jeder beliebigen Straßenecke ein geistig minderbemittelter oder schlechtgelaunter Vollidiot in den Kopf schießen kann. Während in den meisten anderen Ländern bei Konfliktsituationen Rhetorik, körperliche Gegenwehr oder schnelle Beine gefragt sind, muss bei vergleichbaren Szenen in den USA damit gerechnet werden, dass anschließend ein Gehirn über die Straße verteilt ist, im schlimmsten Fall das eigene.

Als Westernheld und herausragender Akteur vor und hinter der Kamera ist Ihnen vielleicht kaum bewusst, dass Menschen in Filmen nie tot waren, nachdem sie erschossen wurden und wieder aufgestanden sind. Im Kino und in der Musik ("Wa-da-da-dang, wa-da-da-dang, listen to my nine Millimeter go bang", Boogie Down Productions), Literatur (Raymond Chandler) oder anderen Kunstformen (Ego Shooter) mag der Akt des Tötens mit Schusswaffen heroisch erscheinen. In der Realität bildet eine liberale Waffengesetzgebung die Voraussetzung für das regelmäßig wiederkehrende barbarische Abschlachten von Menschen, die nicht wieder aufstehen.

Als Ikone der NRA Drecksbande (National Rifle Association Drecksbande), die sich für mehr Waffen an Schulen einsetzt - im ersten Moment dachte ich, es handelt sich um einen schlechten Scherz - ist Ihr Cowboy Image der ideale Werbeträger. Als aufrechter US Bürger hingegen könnten Sie mit einem Wort gegen die allgemeine Bewaffnung viel bewegen, auch wenn es Ihr Cowboy Image ankratzt und vielleicht ein paar Geldhähne zugedreht werden. Das wäre wahre Größe, Männlichkeit und Heldenmanier. Wer Waffen trägt, ist zu feige, um sich mit Worten oder Fäusten zu wehren.

Vermutlich wird außer tränengerührten Ankündigungen Ihres Präsidenten und dem nächsten Massenmord wenig passieren. Und irgendwo lachen sich extremistische Spinner ins knarrenenbewehrte Fäustchen, weil ihr diesen Verrückten einige Selbstmordattentate erspart und eure Kinder eigenhändig umbringt.

Mit entwaffnenden Grüßen,
mq