Freitag, März 29, 2013

Religion Tanzen

Ich bin leidenschaftlicher Nichttänzer. Vermutlich hat meine Abneigung gegen Körperbewegungen im oder gegen den Takt akustischer Ereignisse mit dem Unbehagen zu tun, das in Situationen der exponierten Selbstdarstellung auftritt.

Selbst aus der Sicht eines Verweigerers erscheint es undemokratisch, dass aufgrund der religiösen Überzeugung einer Bevölkerungsgruppe das Tanzen am Karfreitag verboten ist. Dieses Verbot beruht auf der christlich-abendländischen Tradition, jedoch ist die Tradition des Tanzens um viele Tausend Jahre älter als das Christentum.

Das Christentum ist eine humorlose Religion, wie auch alle anderen Religionen insgesamt als humorlos bezeichnet werden können. Ich habe während meiner frühjugendlichen Karriere als Messdiener in der römisch-katholischen Kirche bei keinem Gottesdienst erlebt, dass die versammelte Gemeinde herzhaft gelacht hat. Bestenfalls wurde verklemmt gekichert, wenn ein Messdiener im Weihrauchsmog umgekippt ist oder andere liturgische Missgeschicke passiert sind. Die religiöse Humorlosigkeit ist ein Kalkül, denn Humor bedeutet die Abweichung von bitterernsten Regeln und einen Ausbruch aus der Unterwerfung. Damit kann Humor nicht im Sinn des Herrschers sein. Religion bedeutet Diktatur der Idee eines Gottes und seiner irdischen Stellvertreter, deren Interesse im Aufbau, der Ausübung und des Erhalts von Macht besteht. Pervers und scheinbar paradox ist die Erwartung der Herrschenden, dass die Gläubigen Freude bei der Ausübung ihrer Religion, also ihrer Unterwerfung empfinden.

Es ist nicht überraschend, dass eine Diktatur auf dem Tanzverbot besteht. Wenn nun aber für Tänzer das Tanzen eine Religion wäre, würde man sie am Karfreitag an ihrer Religionsausübung hindern und damit die grundgesetzlich festgelegte Religionsfreiheit einschränken?

Grundlagen für die Definition einer Religion sind Spiritualität und Ritual. In der Versunkenheit von Tänzern ist Spiritualität nicht nur bei Derwischen zweifellos erkennbar, und auch Rituale wie die Aufforderung beim Paartanz oder das Anstehen vor dem Club sind vorhanden.

Nachdem letztes Jahr bei einem Flashmob auf dem Frankfurter Römerberg mittels Kopfhörerbeschallung still tanzend gegen das Verbot demonstriert wurde, dürfen am Karfreitag keine Tanzdemos mehr stattfinden. Eine Entspannung der Lage ist erst zu erwarten, wenn Franziskus I. am Karfreitag einen Tango aufs vatikanische Parkett legt.

4 Comments:

Anonymous Frau H. said...

Dieses Verbot finde ich den absoluten Oberhammer! Und dabei ist Frankfurt ja noch nicht einmal Bayern. Ich dachte, wir wären mittlerweile "weiter", in dieser Hinsicht. Schade das nicht.

Aber was will man/frau auch von einer Kirche erwarten, die einem erzählt, wenn man am Karfreitag brav das duldsame Opfer gibt, dann wird man schon sein Heil und Glück im Jenseits finden. Und um es zu untermauern wird dann halt Pfingsten erschaffen, als Beweis, sozusagen. Weil zurückgekommen aus den paradiesischen Himmelgärten der ewig Aufopfernden und Zurücksteckenden ist ja noch keiner...
Je länger ich darüber nachdenke, desto übler wird mir. Die Steiniger und Nagler und sonstwer, die holen sich ihr Glück ziemlich brutal hingegen schon auf Erden ab. Fein ausgedacht vom Regime.

Nicht, dass mir das wirklich NEU wäre, aber so konkret durchdacht wie im Moment habe ich das auch noch nie. Machtstreben pur und in Reinstform.

Was mich allerdings wundert, ist, dass Sie Tanzen als "selbstdarstellerisch" im negativen Sinne zu sehen scheinen. Da geht es mir ganz anders. Auch wenn ich es sehr unbeholfen gegen den Takt tue.
Augen zu und....fallen lassen...

31.3.13  
Blogger mkh said...

Die spinnen, die Tanzenverbieter.

1.4.13  
Blogger mq said...

/Frau H.: Es war nicht beabsichtigt, den Begriff der Selbstdarstellung an dieser Stelle in einen negativen Zusammenhang zu stellen. Vielmehr setzen sich Tänzer im öffentlichen Raum den Blicken von Beobachtern aus und machen sich duch diese exponierte Situation verletzbar.

/Obelix: Spinnen ist ok, Tanzenverbieten nicht.

10.4.13  
Anonymous FrauH said...

Wir sind immer nur so verletzbar wie wir uns selbst fühlen....und wenn der Focus beim Tanzen eher nach innen geht dann empfinde ich dass zB. als einen ziemlichen Schutz. Aber ich tanze halt auch so, wenn. Augen zu, nur noch ich und die Musik. Geht aber besser in dunkleren Gefilden, zugegebenermassen ;)

Na ja, ich glaube ich bin halt auch ein wenig "schräg" in solchen Dingen....aber ich versteh schon was Sie meinen.

10.4.13  

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